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Property Technology – Zukunft der Immobilienbranche?

PropTech ist in aller Munde. Wir waren Teil einer Diskussion über die Digitalisierung der Immobilien- und Baubranche und die Rolle der PropTech-Unternehmen vor dem Hintergrund steigenden Renditedrucks. Hier gibt's die Aufzeichnung sowie Fragen und Antworten aus dem Interview zum Nachlesen.

Am 19.01.2021 lud der ALPHAZIRKEL, die Plattform für Wissens- und Erfahrungsaustausch von Familienunternehmern, unter der Moderation von Albert Michael Geiger zur Diskussion über die Digitalisierung der Immobilien- und Baubranche und die Rolle der PropTech-Unternehmen vor dem Hintergrund steigenden Renditedrucks ein. Teilnehmer des virtuellen Podiums waren Sandro M. Camilli (Immobilienökonom und -investor), Moritz Koppe (Immobilienökonom und Geschäftsführer emproc), Anja Rath (Managing Partner Proptech1 Ventures) sowie ShareYourSpace Gründer und CEO Dr. Tobias Wagner. 

Sie haben die Diskussionsrunde verpasst? Die Aufzeichung finden Sie bei ALPHAZIRKEL. Fragen und Antworten aus dem Interview zum Nachlesen:

Albert Michael Geiger: Das PropTech-Unternehmen ShareYourSpace ist gedacht, um Büroimmobilien wesentlich besser auszulasten. Der Bedarf an langen Mietverträgen im Bürobereich wird wahrscheinlich weniger werden. Die flexible Nutzung von Officespaces steigt – damit meine ich nicht nur Coworking, sondern Büros generell durch wesentlich kurzfristiger Nutzung. Wie adressiert ihr als Startup das Thema? Wollt ihr eine Art AirBnB des Büromarktes werden?

Tobias Wagner: In der Tat ist Airbnb ein Referenzmodell. Was haben wir gemacht? Wir haben das Sharing-Prinzip in die Bürowelt übersetzt. Der Aufstieg der Coworking-Betreiber – WeWork, Design Offices, Mindspace etc. – ist ein Zeichen für den Bedarf nach flexiblen Lösungen. Offensichtlich und logisch: Unternehmen, Menschen, Business und Organisationen sind dynamisch und haben einen Bedarf an flexiblen Lösungen. Flexibel bedeutet zum einen bezogen auf Zeit: Wie lange wird ein Workspace, ein Büro benötigt? Zum anderen bezogen auf die Größe: Wie viel Officespace wird benötigt? Covid-19 ist wahrscheinlich ein Brandbeschleuniger. Was hat Covid-19 letztendlich produziert? Planungsunsicherheit! Seit Jahren haben wir in der Immobilienbranche nur aufwärts gekannt. Das hat sich verändert: Kaum einer ist heute im Stande, über einen längeren Zeitraum im nationalen, internationalen und unternehmerischen Zusammenhang zu sagen, wo die Welt hingeht. Was ist also gefragt? Flexibilität! Es scheint schon fast absurd, einen 10- oder 20-Jahres-Mietvertrag einzugehen, wenn man nicht weiß, wie der nächste Sommer aussieht. Das betrifft sowohl den multinationalen Konzern als auch das kleine Unternehmen.

Ende 2019 ist unser digitaler Marktplatz ShareYourSpace live gegangen. Die Plattform ermöglicht auf der einen Seite Eigentümern und Mietern, ihre temporär freien Bestandsflächen anzubieten. Auf der anderen Seite können all diejenigen, die keinen langfristigen Mietvertrag abschließen wollen, diese Workspaces buchen. 

Wir reden dabei von Zeiträumen zwischen einer Stunde und einem Jahr, also den Markt der kurzzeitigen Ver- und Anmietungen, der komplementär zum Markt der Langfristobligationen ist. Covid-19 füllt die Angebotsseite des Marktplatzes. Vor der Pandemie hieß es oft, es sei jegliche Fläche besetzt, dies obwohl die eine Milliarde Quadratmeter Bürofläche in Deutschland auch da schon nicht ausgelastet war – weil eben keiner einen Schreibtisch 24/7 benötigt. Die Resonanz auf die Anfrage, die Freiräume bereitzustellen, war vergleichsweise gering. Das hat sich mit Covid-19 verändert. Plötzlich ist jedem klar, dass es himmelschreiend leere Bürofläche gibt, vor allem durch Homeoffice. Auf der Angebotsseite bekommen wir Flächen von Corporates bis hin zu solchen vom Besitzer eines kleinen Büros. Worunter die Sharing-Economy im Bürobereich aktuell leidet, ist die Buchungsseite. Die mit fremden Räumen, fremden Dritten in Lockdownzeiten verbundene Unsicherheit hemmt. Da müssen Fragen beantwortet werden bezüglich Sicherheit und Risikomanagement: Das sich aufdrängende Thema ist Gesundheit und Hygiene in Räumen, nicht nur in der Pandemie, sondern zukünftig generell. 

Albert Michael Geiger: Thema Nutzenoptimierung. Tobias, deine Aussage war: Das Angebot ist da, die Nachfrage noch nicht im selben Maß. In diesen unsicheren Zeiten müsste doch eigentlich auch die Nachfrage steigen? Wenn ich keinen 10-Jahres-Vertrag haben will, muss ich eine Alternative suchen, z.B. von einem Mieter mit langjähriger Bindung eine Bürofläche kurzfristig untermieten, richtig?

Tobias Wagner: Absolut. Meine Aussage zu Buchungen und Nachfrage war auf die Zeit im Lockdown bezogen. Im Moment sind die Firmenzentralen leer und die Menschen sitzen zu Hause. Die Alternative, der Third Workspace, ist aktuell durch Gesundheitsbedenken, Bewegungseinschränkungen, verordnetes Homeoffice schwierig. Die Welt nach Covid-19 wird anders aussehen. Wann und wie setzt sich Neues durch? Es ist sehr lange nur bergauf gegangen, alle haben gut verdient, Niedrigzinspolitik, Sachwertinflationen und mangelnde alternativen Investments haben wenig Veränderungsdruck mit sich gebracht. Den bringen Krisen mit sich, in denen Grundstückwerte und Projekte unter Druck kommen, erinnern wir uns an das Platzen der New Economy Blase oder an Lehman. Die Lösungen für die Zukunft liegen im Bereich Technologie. Dazu brauchen wir aber Verhaltensänderung bei den Akteuren, eine offene Sichtweise, ein „sich darauf einlassen“. Dieser Druck und dieser Zwang kommen genau in solchen Zeiten. In Krisen werden neue Modelle und neue Unternehmen gebacken. Das Thema unserer virtuellen Diskussionsrunde ist Rendite und Property Technology. Denken sie an all die Projekte, die aus den Budgets und der Zeit laufen. Das ist ja nicht nur beim Flughafen Berlin passiert, es passiert bei jeder „Hundehütte“. Zudem gewinnt Tech mit anderen Ausbildungen, mit Generationenwechsel, mit Digital Natives an Gewicht und Gehör. Wenn sich Innovation in der klassischen Immobilienwirtschaft immer nur in Steuermodellen niederschlägt, dann werden wir das erleben, was der Automobilwirtschaft passiert ist: plötzlich Tesla von rechts auf Überholspur. Es wäre gut, wenn wir in diesem großen deutschen Markt die Champions von morgen selber haben. Dazu brauchen wir entsprechendes Funding, aus der Immobilienwirtschaft das offene Gehör und den Counterpart für die PropTechs. Dann können wir Renditen optimieren – entlang des kompletten Prozesses. 

Albert Michael Geiger: Proptechs bzw. Digitalisierung sind ein langfristiger Trend. Ein Blick in die „Kristallkugel“: Ist die Immobilienwirtschaft diesbezüglich im deutschen Markt gut aufgestellt? Wo sehen Sie sich in 5 Jahren? 

Tobias Wagner: Wir haben 10 Jahre über Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft gesprochen. Covid-19 hat dazu geführt, dass Digitalisierung plötzlich stattfindet. Insofern bin ich optimistisch. Das Tech-Ökosystem explodiert: unglaublich viele, spannende Lösungen entlang des gesamten Lebenszyklus. Die Frage ist, welches Funding wird zur Verfügung gestellt. Hier ist Deutschland im Vergleich mit den Angelsachsen quasi nicht existent. Das ist sehr schade. Viele Ideen haben nicht das notwendige Kapital, um sich durchzusetzen. Wenn ich das ShareYourSpace Modell betrachte, bin ich sicher, dass Office as a Service Commodity werden wird – also Office überall wo und wann ich es brauche, dies zu attraktiven Preisen und in der passenden Größe. So wie wir das bei Airbnb in der Hospitalitybranche erlebt haben. Die Technologien dafür sind da. Wir würden uns freuen, wenn wir dieser Marktplatz in der Bürowelt werden,