ImmobilienZeitung (36/2020) vom 03.09.2020. Artikel von Alexander Heintze.
„Die unsicheren Zukunftsaussichten verleiten Unternehmen dazu, ihre teils langfristigen Mietverträge zu überdenken. Andere halten sich mit neuen Anmietungen derzeit zurück, da sie nicht wissen, wie viel Fläche sie zwischen Homeoffice und Infektionsschutz tatsächlich benötigen. Start-ups wollen als Sharing-Makler in diese Lücke stoßen und versprechen Mietern wie Vermietern mehr Flexibilität.
Der Münchner Reiseanbieter FlixMobility hatte Großes vor. Nicht weniger als die globale Expansion stand im vergangenen Jahr bei dem Betreiber der grünen Fernbusse und Züge auf der Agenda. FlixTrains, FlixCar und FlixBus sollten das ehemalige Start-up zum globalen Mobilitätsanbieter machen. Wachsen musste daher auch die Münchner Zentrale. Im Juni übergab die OFB Projektentwicklung 17.600 m² Bürofläche im gerade fertiggestellten KapWest an der Friedenheimer Brücke im Münchner Westen an den Ankermieter FlixMobility. Im südlichen Gebäude mietete Flix die Stockwerke zwei bis sechzehn. Das war zu viel Platz, wie sich jetzt herausstellte. Für etwa ein Drittel der Flächen hat FlixMobility keinen Bedarf mehr. Für zwei Etagen wurden Untermieter gefunden.
Die Folgen der Corona-Krise kommen bei Mietern und Vermietern an. Erste Unternehmen, die in Märkten mit einer großen Knappheit über ihren Bedarf hinaus gemietet haben, geben Flächen ab. Die Untervermietungen an den Top-Standorten nehmen zu.
Sharing-Makler wie (…) ShareYourSpace (…) wollen als eine Art Airbnb für Gewerbeflächen die Flächeneffizienz erhöhen und Mietern wie Vermietern zu mehr Flexibilität verhelfen.
Unternehmen sollen über diese Plattformen ihre ungenutzten Büroflächen an andere Firmen, Startups oder Freiberufler vermieten, untervermieten oder diese mit ihnen teilen. Vermietet werden dabei nicht nur komplette Büros oder ganze Stockwerke, sondern auch einzelne Arbeitsplätze und Besprechungsräume. Mieten kann man die Räume stundenweise oder bis zu mehreren Jahren.
Im Unterschied zu Coworkinganbietern oder klassischen Vermietungsplattformen kommen die Sharing-Angebote nicht von Maklern, sondern von den Eigentümern und Mietern der Flächen. Diese vergeben die begehrten Quadratmeter direkt an die Nutzer. Die Plattformen sind reine Vermittler.
(…) Der eigentliche Mieter kann so flexibel auf die Flächen zugreifen, wenn sich die wirtschaftliche Lage schneller als erwartet verbessert oder doch deutlich weniger Mitarbeiter im Homeoffice bleiben wollen als zunächst gedacht.
„Wir sehen oft, dass es schwierig ist, den einen Untermieter zu finden, der die angebotenen Flächen benötigt“, ergänzt Tobias Wagner, Gründer und Geschäftsführer des Münchner Start-ups ShareYourSpace. Die kleinteilige Vermarktung der Flächen treffe dagegen auf mehr Nachfrager und ermögliche eine flexiblere Nutzung. Außerdem hätten diese Kunden oft geringe bis keine Ansprüche an Umbauten und keine Sonderwünsche.
Corona ist ein Treiber dieses Geschäftsmodells
Corona könnte ein Treiber dieses Geschäftsmodells sein. Fast alle großen Unternehmen denken über flexiblere Arbeitsmodelle und vor allem über weniger Arbeitszeit im Konzernbüro nach. Laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft KPMG vom Juli unter mehr als 300 Unternehmen wollen fast 70% der befragten Vorstandschefs ihre Angestellten öfter ins Homeoffice schicken (vgl. „CEOs fremdeln nicht mehr mit Telearbeit“). Sie gehen außerdem davon aus, dass sie deswegen weniger Büroflächen brauchen.
„Im Moment wissen die Unternehmen nicht, wie viel weniger Fläche sie langfristig benötigen“, erklärt Leimbach das Dilemma. Kein Unternehmen könne sagen, wie es damit in einem oder zwei Jahren tatsächlich aussehe. Doch auch Untermieter brauchen sowohl ein gewisses Maß an Planungssicherheit als auch längerfristige Mietverträge. Das sei ein Grund, warum Untervermietungen bisher nur vereinzelt zu beobachten seien, meint Wolfgang Speer, Head of Office & Occupier Services bei Colliers International. „Es wird dauern, bis die Folgen der Rezession und neue Bürokonzepte auf die Büromärkte durchschlagen, deshalb rechnen wir mit einem nennenswerten Anstieg an Untervermietungen erst ab dem Jahresende 2020 und insbesondere im nächsten Jahr“, erklärt Speer.
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Das Flächensharing bietet auch Mietern mehr Raum für Reaktionen. „Sich in dynamischen Zeiten mit langen Mietverträgen auf Jahre in ein starres Korsett zu zwingen, ist ökonomisch fragwürdig. Flexibilität wird immer wichtiger“, ist Tobias Wagner von ShareYourSpace überzeugt. Diese Flexibilität wollen die Plattformen bieten.
Bei Airbnb ist von der Übernachtung auf einer Luftmatratze in einer Studenten-WG bis hin zur stilechten Nächtigung im Wasserbett einer Villa alles möglich. „Diese Bandbreite haben wir im Gegensatz zum Coworking auch“, sieht Wagner einen Vorteil bei den Gewerbe-Airbnbs. Außerdem sei das Angebot direkt von Unternehmen meist günstiger als bei klassischen Coworkinganbietern. Denn anders als beim Coworking setzt das Shared-Office-Konzept auf die Auslastung nicht genutzter Flächen und Kostenteilung.
(…) Damit sei das Office-Sharing eine Ergänzung zu den großen Coworkern. Diese konzentrieren sich in erster Linie auf die besten Lagen in den Innenstädten. Dagegen können die Sharing-Makler Räume auch in den Randlagen, Vororten und in kleineren Städten anbieten.
Hier hoffen die Vermittler, von der neuen Generation der mobilen Arbeiter zu profitieren. Diese wollten oder könnten nicht zuhause arbeiten, wollten aber auch keine langen Arbeitswege haben. „Wir wollen bewusst auch Flächen abseits der Innenstädte abdecken und damit kurze Verkehrswege möglich machen“, sagt Wagner. (…) Im Fokus stehen dabei etwa Flächen von mittelständischen Unternehmen, die oft in ländlichen Regionen sitzen und vielleicht in der Vergangenheit zu groß geplant haben. Diese haben nun die Chance, Untermieter zu finden.
Das Potenzial ist enorm. ShareYourSpace geht davon aus, dass etwa die Hälfte des gesamten rund 500 Mio. m² großen Büroflächenbestands in Deutschland „unsichtbarer Leerstand“ ist. Dieses Potenzial sieht auch Colliers-Chefvermieter Leimbach. Große Unternehmen könnten dazu übergehen, in den Speckgürteln und Vororten der Städte kleinere Büros zu mieten, um dort Projektteams, die aus der Umgebung kommen, zusammenarbeiten zu lassen. „Das ist ein Mittelweg, ohne die Mitarbeiter in die Zentrale kommen zu lassen“, stellt Leimbach fest. Das sei eine Chance für kleinere Coworkinganbieter und für die neuen Anbieter von Büro-Sharing- Modellen. (…) Eine weitere Nutzergruppe sieht ShareYourSpace-Chef Wagner bei Baufirmen und Projektentwicklern. Sie würden immer mehr von den Containerbüros weggehen und nach Büros in der Umgebung ihres Vorhabens suchen, die sie für eine gewisse Zeit mieten könnten.
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Nicht nur für Mieter, auch für Vermieter habe das Konzept Vorteile, meint Wagner. Sie könnten Bestandsmietern, die ihre Flächen reduzieren wollen, das Angebot von Untervermietungen über die Plattformen machen. Das gebe Mietern „Luft zum Atmen, und die Gefahr sinkt, dass sie ausziehen“, betont er. Doch es gibt Hürden. Viele Standardmietverträge verbieten heute Untervermietungen und Überlassungen. Auch die Banken müssten weg von den Vorgaben, vor allem für den Wa(u)lt (Weighted Average (Unexpired) Lease Term – gewichtete Laufzeit der Mietverträge). Dabei werden die gewünschten Laufzeiten für Mietverträge schon jetzt immer kürzer. Derzeit will sich kaum jemand für zehn bis 15 Jahre festlegen. Wagner hat für Immobilieneigentümer und Mieter noch ein Argument: Durch die verteilten Arbeitsplätze entstehe weniger Pendlerverkehr. Das sei gut für die Umwelt und für die Nachhaltigkeitsbilanz der Firmen.
Künftig wollen die Unternehmen verstärkt mit Immobilieneigentümern zusammenarbeiten. (…) Erste Ansätze gibt es bereits. Im vergangenen Jahr beteiligte sich die Commerz Real mit 25% an ShareYourSpace. Auch Aurelis Real Estate testet in München die zeitweise Vermietung einer Event-Location im Gewerbegebiet Triebwerk über die Plattform. Eine Ausweitung des Konzepts ist denkbar. So habe man mit der Commerz Real bereits die kurzfristige Vermittlung von Einzelhandelsflächen diskutiert. Alternative Nutzungen wie Büros könnten mehr Frequenz in die darbenden Shoppingcenter bringen. Einzelhandelsvermieter könnten über die Plattformen eine größere Nutzerschicht ansprechen. Allerdings ist die Nachfrage derzeit noch das Problem bei den jungen Plattformen. Während das Angebot stetig wächst, sind die Nutzer zurückhaltend. Wagner ist dennoch davon überzeugt, dass die Sharing-Vermittler am Ende von der Pandemie profitieren werden. „Flexibilität wurde in der Corona-Krise gelernt und organisiert und wird künftig wesentliches Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen eine Fläche.“